Hattenhorst & von Elsner | Literaturgespräch

Zwei Völker, ein Land - Juden und Araber in Palästina und Israel

20. September 2021 | 60 Min.

Der Konflikt um die Existenz des Staates Israel auf dem Gebiet zwischen Mittelmeer und Jordantal ist bis heute ungelöst. Ebenso schwelt die Frage nach einem davon separaten Staat Palästina und ob und wie die jeweils andere Volksgruppe ausgeschlossen oder einbezogen sein soll.

Soll man sich als Deutscher zu diesem nur noch schwer zu überschauenden Konflikt äußern? Oder sollte man sich angesichts der zeitlichen Nähe zum Holocaust mit wohlfeilen Ratschlägen politischer oder gar moralischer Art nicht besser zurückhalten? Das nationalsozialistische Deutschland hatte die Juden massenhaft aus Europa vertrieben, sie flüchteten vor dem industriell betriebenen Völkermord, und die Überlebenden aus den Gettos und Konzentrationslagern suchten Zuflucht im entstehenden Staat Israel.

Gleichwohl berühren uns, Hattenhorst und von Elsner, die Anziehungskraft des „Heiligen Landes“, die biblischen Landschaften. Wir interessieren uns für die bäuerliche Kultur der arabischen Dorfbewohner, nomadische Beduinen, Händler und Kaufleute oder die patrizische Oberschicht der Palästinenser in Jerusalem. Wir sind neugierig auf die Einwanderer unterschiedlicher kultureller Herkunft und auf die neu zusammengewürfelte israelische Gesellschaft, in der gegensätzliche nationale Traditionen ebenso aufeinander prallen wie religiöse Normen und säkulare Lebensstile – und in der die Erinnerung an den Holocaust ein Auftrag zur nationalen Selbstbehauptung geworden ist.

Wir sprechen über die Romane:

· Susan Abulhawa, Während die Welt schlief, München 2012. – Angelegt als Familiensaga, ist das Buch weltweit bekannt geworden als eine Art Manifest: Anhand persönlicher Schicksale ergreift die Autorin Partei für die Palästinenser, für ihr Recht auf die angestammte Heimat. Sie berichtet vom glücklichen Dorfleben im Kreislauf der Jahreszeiten, über die Vertreibung und über die harte Kindheit ihrer Heldin Amal im Flüchtlingslager von Jenin und im Jerusalemer Waisenhaus; ein Stipendium ermöglicht der jungen Frau ein Studium in den USA, doch am Ende kehrt sie zu ihren Wurzeln zurück und stirbt bei der zweiten Intifada als Märtyrerin.

· Amos Oz, Eine Geschichte von Liebe und Finsternis, Frankfurt am Main 2004 (Jerusalem 2002) – Im Mittelpunkt des biografischen Romans steht die Kindheit des kleinen Amoz, 1939 geboren. Er wächst er in einer von Sprachen und Büchern intellektuell überfrachteten Umgebung auf; die aus Osteuropa eingewanderten Juden seines Jerusalemer Stadtviertels fühlen sich oft fremd wie die Großmutter, die nichts mehr fürchtet als die Keime und Mikroben der „Levante“. Der genaue Blick voller menschenfreundlicher Ironie holt politische Programme und hohe Philosophie vom Sockel der Gelehrsamkeit – auch die des Onkels Joseph Klausner, einem nationalliberalen Befürworter eines unabhängigen jüdischen Staates – und lässt Raum für Gefühle der Vergeblichkeit.

· David Großmann, Eine Frau flieht vor einer Nachricht, München 2009 – Gleich nach dem Ende seiner Militärdienstzeit hat sich Oras Sohn Ofer freiwillig zu einem Militäreinsatz gemeldet. Ora hält die erneute Angst, ihr Sohn könne dabei getötet werden, nicht mehr aus. Kurzerhand startet sie zu einer Wanderung durch Galiläa, die sie eigentlich mit ihrem Sohn machen wollte und bei der sie nun jener alte Freund begleitet, der als bester Freund ihres Mannes auch ihr Geliebter gewesen war, und auf der nun – durch magisches Denken – die postalische Unerreichbarkeit währen des Unterwegsseins auch die Überbringung einer Todesnachricht unmöglich machen würde. Das Handlungsgeflecht mitsamt der Rückschau auf eine komplizierte Dreiecksgeschichte um Liebe und Elternschaft wird dabei überlagert von der Deformation der Gesellschaft und der Menschen selbst durch militärischen Drill, Gewalt, Krieg, Folter und Tod.

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